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Bücher voll praller Erlebnisse

Erinnerungen als Memoiren für die nächste Generation festgehalten

Seine Memoiren zu verfassen ist nicht nur eine tolle Verewigung der eigenen Familiengeschichte, sondern auch ein gutes Gedächtnistraining

VON CAROLIN MÜLLER UND DPA

Helga Lange sitzt an dem alten Tisch in ihrem Wintergarten, ihre Wollstrickjacke hält sie schön warm. Ihr Blick wandert durch die Fenster in den Garten, in dem sich die ersten Sonnenstrahlen des Tages ihren Weg durch das dichte Laub der Bäume bahnen. Die 77-Jährige schließt die Augen und atmet tief ein … Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, als sie in Gedanken noch einmal den Weg zu ihrer ersten eigenen Wohnung entlangläuft, im März 1963, überglücklich und voll bepackt mit Leckereien vom Lebensmittelgeschäft. Zur Feier des Tages möchte sie ihren Mann Helmut mit einem ganz besonderen Abendessen überraschen und ihm die frohe Nachricht verkünden: Ihr erstes Kind ist unterwegs. 

Die lebensfrohe Seniorin öffnet ihre Augen wieder, klappt – noch immer lächelnd – ihren neuen Laptop auf, den sie vor einigen Monaten gemeinsam mit ihrem Enkel Niklas gekauft hat, und beginnt, ihre Erinnerungen an diesen besonderen Tag niederzuschreiben. „Der Vorschlag, unsere Familiengeschichte schriftlich festzuhalten, kam von meiner Tochter Karin“, berichtet sie und ergänzt: „Anfänglich war ich von dieser Idee gar nicht begeistert, denn vom Verfassen von Memoiren hatte ich ja keine Ahnung.“ 

Doch dann habe sie im Internet nach Anleitungen und Tipps recherchiert, ihre alten Tagebücher zur Auffrischung der Erinnerungen in die Hand genommen und drauflos geschrieben – mit Erfolg: Das erste Kapitel hat sie bereits fertig und mit jedem Tag und jeder Seite „wächst die Freude an dem Projekt“. 

Das Schreiben der eigenen Memoiren hält den Geist fit

Während eine Biografie das ganze Leben einer Person betrachtet, befassen sich Memoiren mit bestimmten Ereignissen oder Zeitspannen. „Wer überhaupt von sich erzählen kann, kann auch über sich schreiben“, nimmt Stefan Kappner, Biograf und Schreibdozent, auf seiner Homepage www.biographie-service.de allen Interessierten, die an ihrer Fähigkeit zu schreiben zweifeln, die Angst.

Auch der PC ist zum Verfassen von Memoiren kein Muss, weiß der Experte. „Benutzen Sie das Schreibgerät, das Ihnen am besten liegt. Erst wenn aus den geschriebenen Geschichten ein Buch werden soll, müssen Sie sich mit der Technik beschäftigen.“ 

© iStockphoto.com/Sergii Gnatiuk

Helga Lange ergänzt ihre geschriebenen Worte gern mit Fotos aus ihrer Jugend und eigenen Zeichnungen. Das Schwelgen in Erinnerungen, Niederschreiben und Zeichnen ist mittlerweile zu einem Hobby der früheren Sekretärin geworden – und hat auch eine positive Auswirkung auf ihre Gesundheit.

Denn das Verfassen der eigenen Memoiren ist nicht nur eine schöne Beschäftigung, sondern auch ein gutes Gedächtnistraining – weil der Autor sich dafür nicht nur an die Ereignisse und Begebenheiten in der Vergangenheit erinnern, sondern diese auch in Worte fassen muss. „Das hält geistig fit und die Enkel werden es einem danken“, weiß Erhard Hackler, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Seniorenliga

Das Schreiben von Memoiren öffnet den Blick nach vorn

Seine Lebenserinnerungen aufzuschreiben kann im Zuge einer Biografiearbeit auch zur Vergangenheitsbewältigung beitragen, als Hilfe, mit sich ins Reine zu kommen und inneren Frieden zu finden. Denn die Biografiearbeit sei ein Weg, reflektiert mit dem eigenen Leben umzugehen, erklärt beispielsweise Hubert Klingenberger, Coach und Autor mehrerer Bücher zum Thema. Richtig angepackt, könne aus dem Blick zurück neue Kraft für den Weg nach vorne gesammelt werden.

© iStockphoto.com/peopleimages

Das eigene Leben Revue passieren zu lassen muss nicht im stillen Kämmerlein geschehen. Mit der Familie oder Freunden über das selbst Erlebte zu sprechen kann ganze Nachmittage oder Abende füllen.

Klingenberger rät dazu, sich dabei vor allem auf das Positive zu konzentrieren beziehungsweise das Erlebte übers Gespräch und spätere Schreiben zu einem guten Abschluss zu bringen. 

Angereichert mit Fotos und Erinnerungsstücken kann aus dem niedergeschriebenen Text am Ende eine ganze Familienchronik werden.

Auch Helga Lange verarbeitet in ihren Memoiren Abschnitte aus ihrer Vergangenheit, die sie noch heute traurig stimmen, wie der frühe Verlust ihrer Großeltern. „Ich hätte gern mehr über das Leben meiner Oma und meines Opas gewusst“, erzählt sie wehmütig. Umso wichtiger sei es ihr, so viel Zeit wie möglich mit ihren Enkeln zu verbringen und ihre eigene Geschichte für sie festzuhalten. „Und wer weiß“, ergänzt sie schmunzelnd, „vielleicht entdeckt auch eines meiner Kinder oder Enkelkinder das Schreiben für sich und setzt fort, was ich begonnen habe.“

Erstveröffentlichung des Beitrags im GDA-Magazin "Meine Zeit" | Ausgabe 04-2020 mit dem Titel “Bücher voll praller Erlebnisse”

Memoiren schreiben leicht gemacht

So halten Sie die eigene Geschichte oder einen Teil davon für Ihre Kinder und Enkel fest:

  • Legen Sie einige Erlebnisse oder Begebenheiten fest, über die Sie schreiben möchten.
  • Wählen Sie Ereignisse aus, die Sie Ihrer Meinung nach zu dem gemacht haben, was Sie heute sind.
  • Erstellen Sie zu den Geschichten und Themen, die sie gesammelt haben, eine Gliederung mit Stichworten und beginnen dann mit Ihrem Textentwurf.
  • Überarbeiten Sie den Text und tippen Sie Ihr Manuskript auf dem Computer ab, sofern Sie es zunächst handschriftlich verfasst haben.
  • Schicken Sie ein Exposé an einen Verlag. Sie können Ihre Memoiren auch im Selbstverlag veröffentlichen.

Auf der Website “Schreiben tut gut” finden Sie ein paar Tipps, wie Sie Ihre Biografie beginnen könnten und welche Ereignisse aus Ihrem Leben interessant sein könnten – nicht nur für Ihre Lieben sondern auch für eine breitere Leserschaft.

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