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Mit Kraft aus der Krise

Resilienz – wie der Mensch lernt, sich nicht unterkriegen zu lassen

Manche Menschen werden von Schicksalsschlägen aus der Bahn geworfen, andere dagegen können sie gut bewältigen. Resilienz nennt sich diese seelische Widerstandskraft. Und das Beste ist: Der Mensch kann lernen, sich nicht unterkriegen zu lassen. 

VON JOHANNA UCHTMANN

Der Sechsjährige liegt in seinem Bett, als die Wehrmachtssoldaten ihn umzingeln und Waffen auf ihn richten. Eine Frau bittet die Männer, das Kind nicht zu töten. „Diese Kinder müssen verschwinden, sonst werden sie zu Feinden Hitlers“, antwortet ein Soldat. Mit dieser Szene beginnt die Autobiografie des französischen Resilienzforschers Boris Cyrulnik „Rette dich, das Leben ruft!“ (Ullstein-Verlag). Cyrulnik verliert seine Eltern im Konzentrationslager, wächst in Heimen, Pflegefamilien und Internaten auf. Später gründet er selbst eine Familie, wird erfolgreicher Wissenschaftler, bezeichnet sich als glücklich. Sein Forschungsgebiet
ist das Phänomen, das ihm half, die großen seelischen Qualen seiner Kindheit zu überstehen: Resilienz.

Innere Widerstandskraft

„Resilienz ist die innere Widerstandskraft“, erklärt Diplom-Psychologin Lilo Endriss aus Hamburg. Menschen mit hoher Resilienz besitzen die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen gut zu bewältigen und sich auch von schweren Schicksalsschlägen nicht völlig aus der Bahn werfen zu lassen. Die Grundlagen dafür werden in der frühen Kindheit gelegt, sagt Prof. Klaus Fröhlich-Gildhoff von der Evangelischen Hochschule Freiburg, der zu diesem Thema forscht. Resilienz werde durch die Erfahrung einer Halt gebenden Beziehung geschaffen: „Da ist jemand da, der mich hält, der mich aber auch fordert.“

Warum einige besser mit Schicksalsschlägen umgehen können als andere, hängt laut Endriss mit drei Faktoren zusammen. Entdeckt habe die Aspekte die US-amerikanische Forscherin Emmi Werner. Sie untersuchte in den 50er-Jahren 700 Kinder auf Hawaii. Diese wuchsen in schwierigen Lebensverhältnissen auf. Einige von ihnen wurden beruflich erfolgreich und gründeten Familien, andere brachen die Schule ab und wurden straffällig.

Die drei Schutzfaktoren

Ein Schutzfaktor ist die Gabe, stolz auf sich zu sein. „Selbstwirksamkeitsüberzeugung“ nennt Karl-Günther Theobald von der Opferschutzorganisation Weisser Ring diese Fähigkeit. Sie sei das Gegenteil von Schicksalsgläubigkeit. Menschen, bei denen dieser Faktor stark ausgeprägt ist, haben das Gefühl, Situationen durch ihr Handeln positiv beeinflussen zu können. Der zweite Schutzfaktor ist die Familie: Der Mensch brauche eine Bezugsperson, sagt die Hamburger Psychologin Endriss. Der dritte Aspekt ist Religiösität. Auch sie könne Schutz bilden. Zum Schutzfaktor des Umfelds zählen Menschen außerhalb der Familie, auf die man sich verlassen kann, etwa Freunde.

Leid ist nicht gleich Leid

Auf die Frage nach unterschiedlichen Schweregraden von Leid gibt der Psychotherapeut Theobald eine wissenschaftliche Antwort: Forscher hätten Situationen untersucht, in denen Menschen leiden. Dann maßen sie den Anteil derer, die wegen dieser Situation ein Trauma ausbildeten. Das Ergebnis ist eine Art Leidensranking: Ganz oben stünden Folter und ein Aufenthalt im Konzentrationslager. 70 bis 75 Prozent der Betroffenen bilden Theobald zufolge ein Trauma aus. Nach einer Vergewaltigung erkranke rund die Hälfte. Am unteren Ende der Skala stehe etwa ein Wohnungseinbruch, der rund 10 Prozent der Opfer traumatisiere.

Resilient werden

Innere Widerstandskraft sei lernbar. Wichtig ist die Einstellung, die der Betroffene zu seinem Leid hat. „Seit Jahrtausenden müssen Menschen Krisen bewältigen“, sagt Endriss. „Es wäre blauäugig, davon auszugehen, dass man verschont bleibt.“ Diese Sicht mache es leichter, seine eigene Situation realistisch zu beurteilen. „Resiliente Menschen haben die Fähigkeit, sich zu distanzieren, sich nicht überwältigen zu lassen“, sagt Endriss. Sie stellen sich wie ein Unbeteiligter gedanklich neben sich, schauen sich die Lage an und handeln anschließend. Distanz und Humor sind sich ähnlich, sagt die Psychologin. „Humor kann man nur aus der Distanz entwickeln.“ In einem Ausnahmezustand helfe er, die Fassung nicht zu verlieren. Resiliente Menschen nehmen in einer Krisensituation Hilfe an. Nicht resiliente Menschen zerbrechen laut Endriss oft, weil sie sich allein fühlen. „Und weil sie denken: Das muss ich doch allein wuppen können.“ Allein kämen aber nur die wenigsten aus einer Krise heraus. Ein Fehler sei auch, die Situation nicht zu akzeptieren. „Man muss akzeptieren, was nicht zu ändern ist. Das ist bitter, es befreit aber auch.“

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