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Mode kennt kein Alter

Stilsicher im Alter – Modebewusste Senioren mit individuellem Kleidungsstil

Eine neue Generation setzt modische Trends und verweigert das Beige-Gen der klassischen Seniorenmode.

Seniorinnen und Senioren entwickeln immer mehr Gespür für ihren persönlichen Kleidungsstil. Ob klassisch und zeitlos oder bunt und extrovertiert: Die jungen Alten leben aktiv und verstecken sich nicht! Warum auch?

VON EVELYN BEYER

Am Anfang war ein goldgelber Mantel. Ein luftiger Kurzmantel aus leichter Wolle mit klassischem Reverskragen „Von so einem Stück hatte ich geträumt, als ich 30 war“, sagt Marga Bingert. „Aber als junge Mutter, die das Geld zusammenhalten musste, hätte ich mir das nie erlaubt.“ Auch vor sechs Jahren brauchte es die Überzeugungskunst ihrer Freundin: „Ich dachte, ich könnte mit über 70 kein Gelb mehr tragen. Dabei ist es wie für mich gemacht.“ Sie lacht. 

Für Marga Bingert, 79, hat damit eine Entdeckungsreise in Sachen Mode begonnen. „Ich war richtig erschrocken, wie sehr sich das Rentner-Beige in meinen Schrank gedrängt hatte“, sagt sie schmunzelnd. Dabei harmonieren ihre silberweißen, wellig zurückgekämmten Haare und ihr frischer Teint sehr gut mit kräftigen Farben. „Mich machen Beige und Grau eher blass.“ Ihr Lieblingsshirt mit großflächigem rot-grün-blauen Blütenmuster lässt sie dagegen erstrahlen. „Zeit für Frühlingsfarben“, entschied sie. 

Ein blau schimmerndes Ensemble für Theaterbesuche bereicherte als Nächstes den Kleiderschrank, farbige Blusen und Tops, Tücher und Hüte kamen dazu. Bingert setzt gezielt Akzente, das können auch die grünen Sneaker zum schwarz-weißen Outfit sein. „Nicht weitersagen – aber die trage ich schon wegen meiner Einlagen.“ Hochwertige Turnschuhe und Troyer in warmen Farben über ge- musterten Hemden hat auch ihr Mann für sich entdeckt. „Es gibt heute kaum mehr Tabus“, meint Bingert, „und wenn man über 70 ist, zählen Modevorschriften wenig. Da ist der persönliche Geschmack alles.“

 

Individualität und persönlicher Geschmack zählen bei Älteren mehr als Modediktate

Gut 16 Millionen Menschen sind in Deutschland älter als 67 Jahre, das sind fast 20 Prozent, Tendenz steigend. Sie sind selbstbewusster als frühere Generationen und fühlen sich rund 7,5 Jahre jünger als sie tatsächlich sind, hat die Generali-Altersstudie 2017 herausgefunden, für die das Allensbach Institut Menschen zwischen 65 und 85 Jahren befragt hat.

Überwiegend positiv empfinden sie ihr Leben, 44 Prozent treiben Sport – 1986 waren es nur 16 Prozent. Als Dresscode passt gedeckt und praktisch da nicht mehr. Gut und individuell angezogen zu sein, den eigenen Stil zu finden, steigert nicht nur das positive Lebensgefühl, sondern zeigt auch die Wertschätzung des Selbst.

Knapp 20 Prozent der Deutschen sind älter als 67 Jahre – und fühlen sich deutlich jünger.

Generali-Altersstudie 2017 vom Allensbach Institut für Demoskopie (IfD).

Zudem rücken Ältere auch öffentlich ins Rampenlicht. Filme zeigen weißhaarige Liebespaare, Fotografen entdecken die Persönlichkeit in faltenreichen Gesichtern. Die frühere Balletttänzerin Eveline Hall, Jahrgang 1945, macht heute als Model in hautengen Kleidern Furore; Iris Apfel, 1921 geborene New Yorkerin, gilt mit riesengroßer Rundbrille und expressiven Outfits als Stilikone. Und bei den Männern wird der Berliner Günther Krabbenhöft als „Hipster-Opa“ gefeiert – im blauen Dreiteiler samt Melone. 

Aber so schrill, „das ist nichts für mich und meinen Herbert“, sagt Marga Bingert. Sie orientiert sich im Internet, etwa bei der lebenslustigen 71-jährigen Hamburger YouTuberin Greta Silver. „Wo sonst findet man Ideen für über 70-Jährige?“

Mode für Senioren, gibt es die überhaupt?

Tatsächlich tut sich die Bekleidungsindustrie schwer. Lange setzten spezialisierte Firmen auf das Beige-Gen, das ältere Menschen angeblich zur Unauffälligkeit tendieren lasse: Wer nicht heraussticht, hat nichts zu befürchten. 

Neue Kollektionen zu entwickeln, bleibt knifflig. Modebewusster als frühere Generationen seien auch die über 60-Jährigen, heißt es in einer Untersuchung im Auftrag des Bundesverbands des deutschen Textileinzelhandels – und auch gesünder und körperlich fitter. Allerdings sei künftig bei einigen eine geringere Kaufkraft zu erwarten, zudem weise die neue Generation der Älteren „ein weniger ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein auf“ als frühere.

 

© iStockphoto.com/gradyreese

Die Senioren-Nische hat jedenfalls ausgedient. Bingert stöbert zum Beispiel auch in Boutiquen mit Naturtextilien. „Hochwertige Stoffe wirken zeitlos.“ Sie kauft aber querbeet. „Ich liebe farbige Jeansjacken über Blusen, und die hängen nicht in der Oma-Kostüm-Abteilung.“ Schwieriger ist es mit Hosen: „Meine Hüften sind breiter geworden, das ist einfach so.“ 

Die Passform ist für Damen und noch mehr für Herren ein Thema. „Modische Anzüge sind figurbetont – aber nichts für die Figur meines Mannes.“ Westen zu ausgefallenen Hemden und gut geschnittene Cardigans sowie Sweatshirtjacken trägt er jetzt sogar, wenn Besuch kommt, sagt Marga Bingert. „Wenn es feierlich wird, bindet er eine Fliege um, das steht ihm gut.“ Und setzt versonnen lächelnd hinzu: „Eigentlich sehen wir jetzt lebendiger aus als vor zehn Jahren.“

Die Seniorinnen und Senioren von heute haben stilprägende Jahrzehnte der Mode selbst erlebt.

Dass sie 50 Jahre später noch Jeans tragen würde, hätte Marga Bingert in den 60er-Jahren nicht geglaubt, als in der Mode die wilde Freiheit ausbrach.

1962 entwarf die Britin Mary Quant gewagt gemusterte Kleider, deren Röcke hoch über dem Knie endeten. Unerhört war das, aber unaufhaltsam, zumal der Minirock von einer neuen Faser profitierte – Nylon bescherte den Herren schweißtreibende Hemden, den Damen bezahlbare transparente Strumpfhosen.

1965 bekamen die Swinging Sixties ihr Modegesicht: Twiggy, das riesenäugige, dürre Model. Schockfarben konnten kaum grell genug sein; Op- und Pop-Art eroberten sogar die Haute Couture.

1968 brach die Ära der Hippies an, mit Blümchen- und Indienlook, vor allem aber: Hosen für alle. Die Jugend beiderlei Geschlechts zwängte sich in hautenge Hüfthosen, die am Bein in weitem Schlag mündeten. Jeans wurden zur Grundausrüstung und Gürtel fast so breit wie Miniröcke.

 

Erstveröffentlichung des Beitrags im GDA-Magazin "Meine Zeit" | Ausgabe 01-2020 mit dem Titel “Modisch gegen das Beige-Gen”

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