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Digital Spielen macht Spaß und stärkt Körper und Geist

VON JACQUELINE BRUNSCH

Das Gedächtnis fit halten, Beweglichkeit und Gleichgewicht trainieren und gleichzeitig Spaß haben: Digitale Spiele machen’s möglich – nach Corona auch wieder in der Gruppe.

Voll konzentriert blickt Edith Winters auf einen Stapel bunt gemusterter Steinchen. Sie sucht Zwillingspaare. Doch alle Steinchen ähneln sich und manch eines versteckt sich zusätzlich noch unter der Fülle anderer Symbole und Farben. Nach einigen Sekunden Bedenkzeit klickt die 72-Jährige schließlich entschlossen auf zwei identische Steinchen, die sich daraufhin in Luft auflösen. „Ich versuche heute mal wieder Ordnung ins Chaos zu bringen“, scherzt die agile Seniorin und beschreibt damit ein Hobby, das sie vor knapp zwei Jahren für sich entdeckt hat: das Mahjong-Spielen am Computer.

Seit das 13-jährige Enkelkind der ehemaligen Buchhalterin gezeigt hat, dass ein PC auch diverse Spielmöglichkeiten parat hält, spielt sie mehrmals pro Woche virtuell Solitär, Skat – oder eben Mahjong. Winters tippt sich mit dem Zeigefinger an die Stirn, dann sagt sie: „Das macht mir nicht nur Spaß, sondern hält mich auch geistig fit.“

Silver Gamer bilden die größte digitale Spielergruppe

Mit der neu entdeckten Vorliebe für Computerspiele liegt die Seniorin im Trend. Immerhin bilden die sogenannten Silver Gamer, also Nutzer von Computer- und Videospielen ab 50 Jahren, mit einem Anteil von 28 Prozent mittlerweile die größte digitale Spielergruppe überhaupt, wie der Jahresreport der deutschen Games-Branche 2018 zeigt.

Und dass mittlerweile mehr als 9,5 Millionen Deutsche über 50 Jahre ihrem digitalen Spielvergnügen nachgehen, hat gute Gründe: Laut der Altersforscherin Prof. Adelheid Kuhlmey von der Berliner Charité bringe die Daddelei nicht nur mehr Spaß und Abwechslung in den Alltag älterer Menschen, sondern habe zugleich das Potenzial, das Gehirn wie einen Muskel zu trainieren.

Das bestätigt auch Winters: „Seitdem ich regelmäßig vor meinen Kartenspielen sitze, fühle ich mich geistig wacher, mein Gedächtnis ist besser.“ Das funktioniert nach den Erkenntnissen von Neurologen deshalb, weil unser Gehirn sich laufend verändert und durch neue Erfahrungen neue Nervenzellen bildet oder vernetzt. Deshalb können durch die Nutzung von Computerspielen nicht nur die Konzentrations- und Merkfähigkeit verbessert, sondern sogar die Multitasking-Kompetenz ausgebaut werden.

“28 Prozent aller Nutzer digitaler Spiele sind Silver Gamer.”

game–Verband der deutschen Games-Branche 2018

Analoge Klassiker - beliebt und digital neu belebt

Besonders beliebt sind bei älteren Menschen digitale Umsetzungen von analogen Klassikern wie Skat, Kreuzworträtseln oder Schach. Sofern diese Anwendungen nicht ohnehin auf dem heimischen Computer vorinstalliert sind, gibt es auch zahlreiche Internet-Plattformen, die die Nutzung solcher Spiele nach einer Registrierung kostenlos anbieten.

„Das Schöne daran ist, dass man die Spiele dann sogar gegen andere spielen kann“, erklärt Winters. Auch hier war es der Enkel, der sie auf die Idee brachte – und sie kurzerhand anmeldete. 

 

 

© istockphoto.com/YinYang

„Seitdem spielen wir auch manchmal zusammen Solitär“, freut sich die Seniorin über das gemeinsame Hobby. So gesehen verbinde sie das Computerspielen sogar noch mit der Außenwelt.

Allerdings: Die Liebe zu ihrem neuen Hobby hat auch für Winters Grenzen: „Ich spiele keine Ballerspiele. Daran kann ich nichts finden.“ Dabei könnten nach US-Forschern der Universität Rochester vor allem Actionspiele dazu beitragen, das Kontrastsehen zu verbessern. „Darauf muss ich dann wohl verzichten“, sagt die 72-Jährige schulterzuckend. 

Aktiv im Seniorenstift eine ruhige Kugel schieben

Stattdessen würde sie lieber einmal digitale Spiele ausprobieren, „bei denen man sich auch körperlich ins Zeug legen muss“. Gemeint sind Konsolenangebote wie die Nintendo Wii.

© iStockphoto.com/PedragImages

Bei Spielen wie „Wii Sports“ finden sich die Nutzer auf einem virtuellen Sportplatz wieder, der Controller wird kurzerhand zu einem Golf- oder Tennisschläger oder zu einer Bowlingkugel, gespielt wird mit vollem Körpereinsatz. 

Der Vorteil: Beweglichkeit, Geschicklichkeit und Gleichgewicht werden so spielerisch trainiert. Vor allem Letzteres ist laut Experten im Hinblick auf die Sturzprophylaxe sinnvoll. Nicht zuletzt deshalb greifen diverse Pflegeeinrichtungen bei der Unterhaltung ihrer Bewohner gern auf die Spielkonsole zurück.

Doch nicht nur medizinische Einrichtungen haben das Potenzial der Health-Games erkannt. Der Hamburger Spieleentwickler Retrobrain hat eine Konsole entwickelt, die den Krankheiten und Beeinträchtigungen des Alters noch gezielter entgegenwirken soll. Dafür erhalten die Schöpfer sogar fachliche Unterstützung von Medizinern und Demenzforschern.

© iStockphoto.com/funstock

Das Prinzip der auf der Xbox basierenden Memorebox: Mittels einfacher Spiele sollen Gleichgewicht, Feinmotorik oder Koordination trainiert werden. Die Steuerung erfolgt über Gesten und Bewegungen, die von einer Kinect-Kamera aufgenommen werden.

„Ich habe schon von dieser Konsole gehört“, offenbart sich Winters als echte Kennerin. „Ehe man sich versieht, findet man sich auf einem Motorrad wieder, das man durch Gewichtsverlagerung durch den Stadtverkehr lenkt. Ganz schön wild.“

Derzeit wird die Memorebox in einer Erprobungsphase in einigen Pflege- und Altenheimen in Hamburg getestet, langfristig soll sie in über 100 Einrichtungen eingesetzt werden.

Retrobrain-Mitbegründer Manouchehr Shamsrizi betont allerdings, dass digitale Angebote jeglicher Art auch künftig nicht als Ersatz, sondern vielmehr als Ergänzung zu Physio- oder Demenztherapie gesehen werden sollten. Der Bedarf sei definitiv da. 

Das glaubt auch Edith Winters. „Je mehr man auf spielerische Weise für sich tun kann, desto besser.“ Dann lacht sie kurz auf und ergänzt: „Langweilig wird mir in Zukunft jedenfalls nicht.“

 

Erstveröffentlichung des Beitrags im GDA-Magazin "Meine Zeit" | Ausgabe 02-2020 mit dem Titel “Körper und Geist spielend stärken”

Virtuelles Bowling mit der Wii-Konsole

© iStockphoto.com/Zbruch

Zocken hält gesund: Virtuelle Sportspiele etwa auf einer Wii-Konsole halten auch die Bewohnerinnen und Bewohner der GDA fit. Im Wohnstift Göttingen gibt es im Keller eine richtige Bowlingbahn. Für Menschen, denen die körperliche Betätigung zu anstrengend ist oder die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, wird Bowling aber auch auf der Nintendo Wii angeboten – genau wie andere Disziplinen. 

Im Foyer des GDA Kleefeld ist eine stationäre Spielekonsole mit einem 75 Zoll großen TV verbunden. Alle, die gern Sportarten auf der Konsole spielen, können diesem Hobby unter Anleitung des Teams der Kulturreferate nachgehen. Und in Waldhausen wird den Bewohnerinnen und Bewohnern immer mittwochs von 10 bis 11 Uhr im Gymnastikraum virtuelles Kegeln über die Wii angeboten. Wenn Sie es etwas ruhiger mögen und z.B. gerne Schach spielen, können Sie sich online kostenfrei auf dem Schachserver www.lichess.org mit Gegenspielern messen.

 

© iStockphoto.com/Jevtic

Senioren geben Zockertipps auf YouTube

Einen Beitrag zum Austausch zwischen Silver Gamern leistet auch der Youtube-Kanal „Senioren zocken“. Das Konzept: Regelmäßig probieren zwei Gruppen von Seniorinnen und Senioren neue Videospiele aus. Man kann älteren Herren dabei zusehen, wie sie in „Sims 4“ im Dschungel überleben oder wie betagte Damen als  Gangster bei „Grand Theft Auto“ Los Angeles unsicher machen. Die Zuschauer lieben die Senioren: Der Kanal hat mehr als 300.000 Abonnenten, die Kommentarspalten sind voller Lob. Und auch auf der letztjährigen Gamescom, der weltweit größten Messe für Computer- und Videospiele, gab es viel Applaus für die älteren Gamer.

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