Menü
Menü

Suche

Wer die Wahl hat …

Gute Entscheidungen treffen

Zu entscheiden gibt es vieles im Leben: von der Auswahl des neuen Brillengestells bis zum Umzug in ein neues Lebensumfeld. Doch wie treffen wir eigentlich unsere Entscheidungen?

Von Bert Strebe

Es soll Johann Wolfgang von Goethe gewesen sein, der sagte: „Entscheide lieber ungefähr richtig als genau falsch.“ Kein wirklich hilfreicher Tipp des Herrn Geheimrates. Ist es doch genau diese Unsicherheit, die uns unser halbes Leben begleitet. Wie entscheide ich was? Was ist „richtig“? Und was kann ich tun, wenn ich doch falsch liege? In allen Lebensbereichen haben wir es mit schier unbegrenzten Möglichkeiten zu tun. War man früher nach dem ersten ernsthaften Rendezvous so gut wie verheiratet, muss sich heute niemand mehr ernsthaft binden.

Gab es früher beim Einkaufen eine Sorte Seife, Käse oder Marmelade, muss man heute aus Dutzenden verschiedenen auswählen. Glücklicher macht das Überangebot nicht. Je größer die Auswahl, umso eher ist man am Ende unzufrieden mit der Entscheidung. Forscher der kalifornischen Universität Berkeley haben herausgefunden, dass man sich darum oft für die erste Option entscheidet – für das, was man zuerst gesehen hat. Oder, wie Psychologen der Uni des Saarlandes feststellten: Man entscheidet sich für das, was man kennt. Einmal Gouda, immer Gouda. Rekognitionsheuristik heißt das Phänomen. Eine Strategie, die auch schiefgehen kann – vor allem, wenn es um weitreichende Entscheidungen geht. Am Aktienmarkt werden beispielsweise bekannte Unternehmen oft besser bewertet, als sie wirklich sind.

 

Kopf oder Bauch? Am besten beides.

Auf wen soll man sich bei Entscheidungen verlassen – Kopf oder Bauch? Manche Menschen grübeln tagelang, bevor sie sich festlegen, welche elektrische Zahnbürste sie kaufen. Andere entscheiden spontan, wo sie künftig leben wollen. Wie also fällt man sinnigerweise Entscheidungen? Intuitiv oder wohlüberlegt?

Am besten wäre eine Mischung aus beidem, sagt Doktor Maja Storch, Leiterin des Instituts für Selbstmanagement und Motivation an der Universität Zürich. Die These der Psychologin: Verstand und Gefühl gehören zum Menschen und sollten deshalb beim Entscheidungsprozess beide eingesetzt werden.

© Freepik/aopsan

Eine rein rationale Kopfsteuerung, wie wir sie uns selbst gerne zuschreiben, ist eine Illusion. „Jeder Mensch bezieht Verstand und Gefühle in unterschiedlichem Maße in seine Entscheidungen ein“, sagt Maja Storch.

Neben dem Verstand verfügt der Mensch über ein unbewusst arbeitendes Entscheidungssystem. Wir nennen es Bauchgefühl, Hirnforscher bezeichnen es als emotionales Erfahrungsgedächtnis. Dort speichert der Mensch die Summe seiner Erfahrungen in Form von Emotionen, zusammen mit einer Bewertung: Dies war toll, jenes furchtbar.

Wenn wir eine Entscheidung treffen müssen, produziert unser Gehirn automatisch kleine Filme, in denen wir uns inmitten der möglichen Ergebnisse der Entscheidung sehen. Diese Filme vergleicht unser Hirn, ohne dass wir es merken, mit den gespeicherten Erfahrungen. Gleicht das Szenario einem Bild, wird das Gefühl dazu abgerufen. Dann spüren wir Freude oder Magengrummeln, fühlen einen Kloß im Hals oder atmen auf. 

Eine gute Entscheidung erzeugt ein positives Gefühl

Kluge Entscheidungen treffen Menschen laut Psychologin Storch, wenn sie sowohl auf ihren Verstand als auch auf ihre Emotionen hören. Wer sich nur auf den Kopf verlässt, wägt oft endlos ab, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Langfristig kann es einen Menschen krank machen, wenn er ständig unentschlossen ist. Storch rät zu einer „Affektbilanz“. Dafür stellt man sich die Alternativen, die man hat, so lebendig wie möglich vor und fragt sich jeweils, welche Gefühle das auslöst. Im Zweifel solle man seinem Bauch vertrauen. „Entscheidungen, die keine positiven Empfindungen hervorrufen, sind in der Regel keine guten.“ 

Hilfestellung leistet auch Gitte Härter, Coach mit dem Schwerpunkt Entscheidungsfindung aus München. In ihrem Buch „Ja, nein, vielleicht? – Entscheidungen leichter treffen“ gibt sie Tipps. Sie rät, nicht im Entweder-oder steckenzubleiben. Ganz oft gebe es dritte Wege. Wenn es darum geht, bewusst zu entscheiden, sind auch alte Ratschläge hilfreich. Etwa der Spruch, dass man erst mal eine Nacht drüber schlafen solle. Die Schlafforscherin Virginie Godet-Cayré hat herausgefunden: Schon bei einer Stunde Schlafmangel entscheiden wir langsamer und oft schlechter. Ausgeschlafen treffen wir bessere Entscheidungen.

 

Erstveröffentlichung des Beitrags im GDA-Magazin "Meine Zeit" | Ausgabe 05-2018 mit dem Titel „Wer die Wahl hat“ 

„Fehler sind natürliche Nebenprodukte“

Interview mit Lukas Niederberger

Lukas Niederberger ist Experte für Entscheidungsprozesse. Er trat 1985 in den Jesuitenorden ein und studierte Philosophie und Theologie. 2007 verließ er den Orden. Heute leitet er die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, schreibt Ratgeber und hält Vorträge.

Wie fällen Sie Entscheidungen? Mit dem Kopf oder dem Bauch?
Kopf und Bauch ergänzen sich. Wenn ich zwei oder mehr Optionen habe, notiere ich Für und Wider und messe sie an Kriterien wie dem Lebensziel, was ich brauche und was ich gerne hätte. Verrechne ich die Werte, erweist sich eine Option als die beste. Dann folgt der Bauch: Ich tue drei bis vier Tage lang so, als hätte ich mich für eine Option entschieden, und achte auf die Gefühle, die aufkommen.

Was, wenn Sie sich nicht entscheiden können?
Dann stelle ich mir ehrlich die Frage, warum ich nicht entscheiden kann. Die Hemmer können vielfältig sein: zu viele Optionen, mangelndes Vertrauen in die innere Stimme, Angst vor Versagen, Gefallsucht, Scheu vor Konsequenzen. Oder Unklarheit bezüglich der Ziele und Werte.

Was raten Sie Menschen, die Entscheidungen bereuen?
Das Leben ist ein permanenter Lern-, Such- und Entwicklungsprozess. Fehler sind natürliche Nebenprodukte jeder Entwicklung. Zudem sollte man frühere Entscheidungen nicht als falsch beurteilen, nur weil man sie später revidiert. Die Umstände können sich nach der Entscheidung so stark verändern, dass es geradezu unverantwortlich wäre, auf Biegen und Brechen daran festzuhalten.

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

  • Pflegen Sie gerne Umgang mit Menschen? Dann werden Sie doch ehrenamtlich aktiv und finden Sie Gleichgesinnte.
  • Menschen unterschiedlicher Generationen kommunizieren anders und interessieren sich für unterschiedliche Themen. So vermeiden Sie Generationskonflikte, zum Beispiel mit Ihren Enkelkindern.
  • Kennen Sie es noch, das Poesiealbum? Mehr über das Freundschaftsbuch aus alter Zeit mit schönen Erinnerungen: Vergiss mein nicht – dank Poesiealbum

 

Die GDA Standorte